05.05.–30.05.2024 / Konzert

Verstummte Stimmen

Lieder aus dem Exil
Aus der Reihe „Kosmos Jüdische Musik“
So 05.05.2024
Opernhaus Düsseldorf
11:00 - 13:00
Konzert
291912
Termine
18:30 - 20:30
Konzert
Beschreibung
Zu allen Zeiten ist versucht worden, Musik – ob aus politischen, religiösen, ethnischen oder gesellschaftlichen Gründen – zu verbieten. Stimmen sind ausgelöscht, Künstler*innen mundtot gemacht worden. Viele von ihnen sind ins Exil – ein inneres oder äußeres – gegangen und haben dort weitergemacht! Das Ensemble der Deutschen Oper am Rhein präsentiert in diesem Konzert „Lieder aus dem Exil“ aus über 100 Jahren, u.a. von Kurt Weill, Erwin Schulhoff, Paul Abraham, Hanns Eisler und vielen mehr.
Programm
Erwin Schulhoff (1894-1942)
„Einem Kinde“
„Schließe deine Augen zu“
„Dämmerstunde“
Anke Krabbe, Wolfgang Wiechert (Klavier)

Erwin Schulhoff
Sonate für Flöte und Klavier; 1.+2. Satz
05. 05. Lilja Steininger (Flöte Düsseldorfer Symphoniker)/
30.05. Stefan Dreizehnter (Flöte Duisburger Philharmoniker), Anastasiya Titovych (Klavier)

Alexander Zemlinsky (1871-1942)
2 Brettl-Lieder
„In der Sonnengasse“
„Herr Bombardil“
Susan Maclean, Wolfgang Wiechert (Klavier)


Hermann Leopoldi (1888-1959)
„Die Novaks aus Prag“
Andreas Bittl + Akkordeon


Kurt Weill (1900-1950)
„Schickelgruber“
Susan Maclean, Wolfgang Wiechert (Klavier)


LESUNG
Andreas Bittl


Samuil Feinberg (1890-1962)
„Бедствие“ (Katastrophe)
„Пленный рыцаръ” (Der gefangene Ritter)
„Еврейская мелодия“ (Hebräische Melodie)
Sami Luttinen, Anastasiya Titovych (Klavier)



PAUSE


Hanns Eisler (1898-1962)
„Hotelzimmer 1942“
„An den kleinen Radioapparat“
Text: Bertolt Brecht
Anke Krabbe, Wolfgang Wiechert (Klavier)


Hermann Leopoldi
„Ja, da wär es halt gut, wenn man Englisch könnt“
Andreas Bittl + Akkordeon

Erich Wolfgang Korngold (1897-1957)
aus: “Songs of the Clown”
“Come Away, Death”
“Adieu, Good Man Devil”
“For the Rain, It Raineth Every Day”
Susan Maclean, Wolfgang Wiechert (Klavier)

Ursula Mamlok (1923-2016)
aus: „Mosaics“ für Klavier, vierhändig (2011)
“As in a Dream”
“Contrasts”
Anastasiya Titovych, Wolfgang Wiechert

LESUNG
Andreas Bittl


Norbert Glanzberg (1910-2001)
„Padam“
Andreas Bittl, Wolfgang Wiechert (Klavier)

Alexander Zemlinsky
aus „Walzergesänge", op.6
„Liebe Schwalbe“
„Klagen ist der Mond gekommen“
„Ich geh des Nachts“
„Briefchen schrieb ich“
Anke Krabbe, Wolfgang Wiechert (Klavier)

Erwin Schulhoff
Sonate für Flöte und Klavier; 3. + 4. Satz
05. 05. Lilja Steininger (Flöte Düsseldorfer Symphoniker)/
30.05. Stefan Dreizehnter (Flöte Duisburger Philharmoniker), Anastasiya Titovych (Klavier)

Paul Abraham (1892-1960)
Aus der Operette: „Viktoria und ihr Husar“
„Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände“
Ensemble
Liedtexte (rechtefrei)
Erwin Schulhoff
Hans Steiger (1898-1943
„Schließe deine Augen zu“

Schließe deine Augen zu...
Lass nicht sehn,
Wie sie groß im Brande stehn!
Mach sie zu...
Zu deinem Kindergesicht
Passt es nicht,
Wenn das bange
Weinen der Entsagung unaufhaltsam
Meine Wange
Bettelt...

Erwin Schulhoff
Gustav Falke (1853-1916)
„Einem Kinde“

Du schläfst und sachte neig ich mich
Über dein Bettchen und segne dich.
Jeder behutsame Atemzug
Ist ein schweifender Himmelsflug,
Ist ein Suchen weit umher,
Ob nicht doch ein Sternlein wär,
Wo aus eitel Glanz und Licht
Liebe sich ein Glückskraut bricht,
Das sie geflügelt herniederträgt
Und dir aufs weiße Deckchen legt.

Erwin Schulhoff
Theodor Däubler (1876-1934)
„Dämmerung“

Am Himmel steht der erste Stern,
Die Wesen wähnen Gott den Herrn,
Und Boote laufen sprachlos aus,
Ein Licht erscheint bei mir zu Haus.

Die Wogen steigen weiß empor,
Es kommt mir alles heilig vor.
Was zieht in mich bedeutsam ein?
Du sollst nicht immer traurig sein.

Alexander Zemlinsky
Arno Holz (1863-1929)
„In der Sonnengasse“

In der Sonnengasse zu St. Goar,
Da kämmt sich die Resi ihr schwarzes Haar,
Sie lacht in den Spiegel verstohlenen Blicks,
Silbern über ihrem Bette hängt ein Cruzifix,
Ihr Pantöffelchen klappert, ihr Schnürleib kracht:
Heute Nacht! Heute Nacht!

In der Sonnengasse zu St. Goar,
Da wohnt ihr schrägüber ein junger Scholar,
Der pfropft sich in den Schädel lauter dummes Zeug,
Schwarz auf seinem Pulte liegt der Pentateuch,
Da streift ihn die Sonne und sein Leder kracht:
Heute Nacht! Heute Nacht!

Alexander Zemlinsky
Rudolf Alexander Schröder (1878-1962)
„Herr Bombardil“

Es war ein Herr von Bombardil,
Der aß ganz ungewöhnlich viel,
Drum ward er täglich dicker.

Jedoch dem Herrn von Bombardil
Dies Dickerwerden sehr gefiel:
Er ward mit Freuden dicker.

Einst sprach der Arzt: „Herr Bombardil,
Sie dürfen wirklich nicht mehr viel
Noch fürder werden dicker."

Da lachte Herr von Bombardil
Und aß nun grad noch mal so viel:
„Ich werde doch noch dicker."

Da platzte Herr von Bombardil.
Und als er in die Grube fiel:
Die Maden wurden dicker.

Hermann Leopoldi
Kurt Robitschek (1890-1950)
„Die Novaks aus Prag“

Sie kennen die Novaks, die Novaks aus Prag
Sie haben sie sicher gekannt.
Ein Gansl bei Novaks am Sonntag in Prag
berühmt war im böhmischen Land.
Gewohnt haben die Novaks am Altstädter Ring.
Ihre Wohnung war stets aufgeräumt.
Der einzige Fehler, den Novaks gehabt,
sie waren so schrecklich verträumt.

Es träumte der Leo von Montevideo,
von Damen, die flüstern: „Senore,
die Nacht ist gemacht für Amore”.
Die Tante, die Anna, die träumt’ von Havanna
die Sehnsucht von Arthur, dem Jüngsten,
war ein Stierkampf in Lisbon zu Pfingsten.
Die Köchin Marianka träumt’ von Casablanca,
die Tochter, die Mali, träumt’ von Tänzen in Bali,
von Shanghai und Bombay,
ach, schön ist die Welt!
Die Novaks, die träumen
in den eigenen Räumen
von einer Sehnsucht
der herrlichen Welt.

Der Fußtritt der Zeit hat die Novaks gekickt,
sie wurden aus Träumen geweckt.
Den böhmischen Löwen, den hat man verkauft,
die Gansln, die haben sich versteckt.
Marschierende Schritte, ein Führer, ein Volk,
da hat man im Schnellzug gesehen,
die Wrbas, die Krejcis, die Bilys, die Krcs,
doch was ist mit Novaks geschehen?

Es sitzt jetzt der Leo in Montevideo,
er denkt nicht mehr an die Senoras,
er hat jetzt ganz andere Zoras.
Die Tante, die Anna, die sitzt in Havanna,
und wartet auf Arthur, den jüngsten,
denn der Dampfer von Lisbon kommt Pfingsten.
Die Köchin Marianka sitzt in Casablanca,
die Tochter, die Mali, hat kein Visum von Bali
nach Shanghai und Bombay.
Und lang wird der Tag,
die Novaks, die träumen,
in gemieteten Räumen
von einem Ort nur,
sie träumen von Prag.

Kurt Weill
Howard Dietz (1896-1983)
„Schickelgruber“
(grobe Übersetzung)

1. In einem Weiler in Tirol ist eine alte Dame,
Sie ist schmachtend und ihr Herz ist schwer.
Denn sie denkt an ihr Kind, das, wäre es auf den Namen Abie getauft worden,
Vielleicht hätte es nie die Rolle des Ungeheuers gespielt.
Wenn ihr Sohn nur geheiratet hätte, wenn ihre Lust nicht fehlgeschlagen wäre,
Wer kann mit Sicherheit sagen, was nicht hätte sein können.
Im düsteren Unkraut des Kummers hofft sie,
dass ein Morgen die Leidenschaft ungeschehen machen wird,
die eine Sünde hervorgebracht hat.

Schickelgruber! Schickelgruber!
Du wurdest als Kind der Schande geboren.
Du bist immer ein Bastard gewesen,
auch wenn du deinen Namen geändert hast.
Erst kamen die Schlagzeilen, dann die Hungersnöte,
als dein Wille zur Macht wuchs.

Schickelgruber! Schickelgruber!
Was für ein hübsches Brüllerchen!
Jede Mutter, ich kann bei dem Gedanken an dich, in Mutterliebe ersticken.

2. In seiner Jugend war es seine einzige Obsession, einen Beruf auszuüben,
Und er versuchte sich mit der Palette und der Farbe.
Die Kunst konnte er nicht beherrschen, also ging er von Farbe zu Gips über,
und heute nennt er sich selbst einen Gipsheiligen.
Ist er eine gute oder böse Fee?
Alle seine Freunde sind inzwischen misstrauisch geworden,
Das heißt, diejenigen, die die Säuberung nicht bewertet haben.
Und der Geruch wird immer bleiben, wie er seinen Freunden den Finger gezeigt hat
Nur um einen Trieb zu befriedigen und zu kulminieren.

Schickelgruber! Schickelgruber!
Einst war der Tau auf der Rose.
Wo du am Ende landen wirst in der Winde,
Schickelgruber, weiß der Himmel.

Immer unbarmherzig, immer wahrheitslos,
wenn der Tag des Jüngsten Gerichts anbricht.
Von den Russen, Schickelgruber, sag, dass es aus ist mit dir.
Jedes Dorf, das du aus Rache plünderst,
wird sich gegen dich wenden!

Samuil Feinberg
Arthur Rimbaud (1854-1891)
„Das Unheil“

Während der rote Speichel des Kanonenfeuers
Den ganzen Tag über den unendlichen blauen Himmel pfeift:
Scharlachrot oder grün, nahe dem König, der sie verhöhnt,
stürzen ganze Bataillone ins Feuer;

Während schockierende Torheit zermalmt
Und macht einen rauchenden Haufen aus Hunderttausenden
Von Männern;
Arme Tote! Im Sommer, im Gras, in deiner Freude,
Natur! Du, der du sie schufst, um ein gottgefälliges Leben zu führen!...

Es gibt einen Gott, der lacht über die Damasttücher
der Altäre, des Weihrauchs, der großen goldenen Kelche;
Der zum Wiegen der Hosianna einschläft,
Und erwacht, wenn Mütter, versammelt
In ihren Ängsten weinend in ihren alten schwarzen Hauben,
Ihm die in ihre Taschentücher gebundenen Sou geben.

Samuil Feinberg
Michail Lermontow (1814-1841)
„Der gefangene Ritter“

Schweigend sitze ich am kleinen Fenster des Gefängnisses,
Wo ich den blauen Himmel sehen kann.
Rund um den Himmel spielen die Vögel frei.
Wenn ich sie ansehe, fühle ich Schmerz und Scham.

Kein sündhaftes Gebet kommt je über meine Lippen,
Kein Wort des Lobes für die schöne Ehre meines Geliebten.
Alles, woran ich mich erinnere, sind schreckliche Schlachten,
Ich schwang mein Schwert in meiner eisernen Rüstung.

Jetzt bin ich in eine gemauerte Rüstung gehüllt,
Steinig der Helm, der auf meinem Haupt lastet,
Magisch mein Schild, der nie durchbohrt werden kann,
Galoppiert mein Ross, ohne Hand an den Zügeln.

Schnell fließende Zeit ist mein immerwährender Läufer,
Die Gitter des Fensters sind das starke Visier meines Helms,
Panzer aus Stein sind uneinnehmbare Türme,
Gusseiserne Türen des Kerkers mein Schild.

Schneller, Zeit, schneller, flieg weiter, ohne anzuhalten!
Hier ersticke ich in dieser neuen Rüstung!
Der Tod - ich nähere mich ihm - wird meinen Steigbügel festigen,
Dann steige ich ab und reiße dieses Visier ab.

Samuil Feinberg
Michail Lermontow (1814-1841)
„Hebräische Melodie“

Lebe wohl und vergib mir, umarme mich, Mutter,
Ich gehe fort in ein fernes Land
Wo der Wind nicht weht,
Wo die Vögel nicht auffliegen,
Und wo der Hahn nicht kräht.
Lebe wohl und vergib mir, umarme mich, Vater,
Es ist Zeit für mich zu gehen
Ich bitte Gott, dir viel Freude zu bereiten
Und mir eine gute Reise zu wünschen!

PAUSE

Erich Wolfgang Korngold
William Shakespeare (1564 - 1616)

„Entferne dich Tod!“ (Zusammenfassung)
Ein von seiner Geliebten Unerhörter
Will begraben sein und hofft, dass sein schmuckloses Grab
Von keinem Liebenden jemals gefunden würde.

„Adieu mein guter Mann Teufel!“ (Zusammenfassung)
Ein Pakt mit dem Teufel, der gleichzeitig eine Absage an ihn ist.

„Denn der Regen, es regnet jeden Tag“ (Zusammenfassung)Eine Hans-Wurst-Geschichte über ein ganzes Leben,
die immer mit dem Abschluss „Es regnet jeden Tag“ endet.

Alexander Zemlinsky
Ferdinand Gregorovius (1821-1891)

„Liebe Schwalbe“
Liebe Schwalbe, kleine Schwalbe,
Du fliegst auf und singst so früh,
Streuest durch die Himmelsbläue
Deine süße Melodie.

Die da schlafen noch am Morgen,
Alle Liebende in Ruh’,
Mit dem zwitschernden Gesange
Die Versunk’nen weckest du.

Auf! nun auf! ihr Liebesschläfer,
Weil die Morgenschwalbe rief;
Denn die Nacht wird den betrügen,
Der den hellen Tag verschlief.

„Klagen ist der Mond gekommen“
Klagen ist der Mond [gekommen]1
Vor der Sonne Angesicht,
Soll ihm noch der Himmel frommen,
Da du Glanz ihm nahmst und Licht?

Seine Sterne ging er zählen,
Und er will vor Leid vergehn:
Zwei der schönsten Sterne fehlen,
Die in Deinem Antlitz stehn.

„Ich gehe des Nachts“
Ich gehe des Nachts, wie der Mond thut geh’n,
Ich suche, wo den Geliebten sie haben;
Da hab' ich den Tod, den finstern, geseh’n.
Er sprach: such nicht, ich hab ihn begraben.

„Briefchen schrieb ich“
Briefchen schrieb und warf in den Wind ich,
Sie fielen ins Meer, und sie fielen auf Sand.
Ketten von Schnee und von Eise, die bind’ ich,
Die Sonne zerschmilzt sie in meiner Hand.

Maria, Maria, du sollst es dir merken:
Am Ende gewinnt, wer dauert im Streit,
Maria, Maria, das sollst du bedenken:
Es siegt, wer dauert in Ewigkeit.
Konzertreihe: Kosmos Jüdisches Leben
L'chaim und alles Gute!
Lieder von Gebet und Revue

Eine Reise durch die vielfältige, farbenreiche Landschaft jüdischer Musik präsentiert das Ensemble der Deutschen Oper am Rhein in diesem Konzert. Von Gebet bis Revue, von Korngold über Benatzky bis Hollaender, in Musik und Wort ist von und für jeden etwas dabei.

Theater Duisburg
Mo 15.04.2024, 19.00 Uhr
Opernhaus Düsseldorf
Mo 17.06.2024, 19.30 Uhr

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Fokus: Paul Abraham
Gesprächskonzert zu „Märchen im Grand-Hotel“

Wenn Paul Abraham in Berlin eine neue Operette auf die Bühne brachte, dann schaute und hörte die Weimarer Republik hin – so viel Ironie, Witz und musikalischen Charme gab’s nur bei ihm. Die Nationalsozialisten verbannten sein Werk und ihn; er überlebte, aber als gebrochener Mann. Anlässlich der Premiere seines „Märchens im Grand-Hotel“ ist es an der Zeit, seine unverwechselbar vielfältige wie lebenslustige Musik – gemeinsam mit Ensemblemitgliedern und Gästen – wiederzuentdecken.

Theater Duisburg
Do 18.04.2024, 18.00 Uhr

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Verstummte Stimmen
Lieder aus dem Exil

Zu allen Zeiten ist versucht worden, Musik – ob aus politischen, religiösen, ethnischen oder gesellschaftlichen Gründen – zu verbieten. Stimmen sind ausgelöscht, Künstler*innen mundtot gemacht worden. Viele von ihnen sind ins Exil – ein inneres oder äußeres – gegangen und haben dort weitergemacht! Das Ensemble der Deutschen Oper am Rhein präsentiert in diesem Konzert „Lieder aus dem Exil“ aus über 100 Jahren, u.a. von Kurt Weill, Erwin Schulhoff, Paul Abraham, Hanns Eisler und vielen mehr.

Opernhaus Düsseldorf
So 05.05.2024, 11.00 Uhr
Theater Duisburg
Do 30.05.2024, 18.30 Uhr
Besetzung