FFT Talk mit Expert*innen

Was sind die FFT Talks?
Im Rahmen des digitalen Foyers haben wir die Talkreihe „FFT Talk mit Expert*innen“ ins Leben gerufen. Die Reihe findet nur im internen Kreis von FFT und Oper mit den eingeladenen Expert*innen statt. Alle Interessierten finden hier eine kurze Zusammenfassung der einzelnen Talks.

Geert Lovink

Medienwissenschaftler und Netzaktivist aus Amsterdam
Über die Digitalisierung als Offenlegung neuer Möglichkeiten für das Theater
Durch die Digitalisierung findet eine Art Internationalisierung statt, so dass man mehr Reichweite bekommt, zudem können neue Zielgruppen angesprochen werden, die vorher aufgrund von Zugänglichkeit, Zeit und auch Geld nicht partizipiert haben. Für die Zukunft müsse man sich, so Lovink, eine neue Architektur hybrider Events ausdenken und damit technosoziale Konstrukte erschaffen, die vielleicht auch über eine digital-öffentliche Infrastruktur zur Verfügung gestellt werden. Wie aber werden diese Inhalte bezahlt? Vielleicht über ein Abo Modell wie bei Netflix, eine Art weltweite Theaterplattform? Oder ähnlich wie die Rundfunkgebühren auch einen Kulturbeitrag für die gesamte Gesellschaft einführen, womit dann auch alle produzierten Inhalte von Theater, Oper, Ballett, Performance und Kunst im Allgemeinen kostenfrei zugänglich wären? Ein solidarisches Preissystem? Oder eine Abokarte wie in einer Stadtbibliothek, ein kleiner Beitrag für alle möglichen Inhalte? Anders herum gedacht – ein Grundeinkommen für alle Kreativschaffenden, um eine Art Grundsicherung des kreativen Outputs zu sichern?

„Wenn wir über Theater und Digitalisierung sprechen, sprechen wir nie nur über Technik, sondern auch über kulturelle, gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Fragen“, so Lovink.

Was braucht es also, um aus unserem „digitalen Foyer“ einen „social place to be“ zu machen? Wie können wir neue Formen im digital-analogen Raum etablieren? Und wer soll das bezahlen?

Adina Hermann

Über Web Content Accessibility Guidelines
Über die Web Content Accessibility Guidelines, kurz WCAG, gibt es eine klare Definition zur Web Zugänglichkeit für Menschen mit Beeinträchtigungen, auf Deutsch „Richtlinien für barrierefreie Webinhalte“.

Ganz einfach gesagt aber, kann man sich an 4 Grundprinzipien halten: Man muss eine Webseite 1) wahrnehmen können, die Webseite muss 2) bedienbar, 3) verständlich und 4) robust sein. Eine kurze Erläuterung dazu: Eine Webseite kann gut wahrgenommen werden, wenn es starke Kontraste gibt, eine gut lesbare Schrift verwendet wird, verschiedene Formen und Farben genutzt werden, die Webseite für die Sprachausgabe optimiert ist, Bilder mit Alternativtext versehen sind, Audiodeskription, Untertitel und Gebärdensprach-Dolmetscher*innen eine Option sind. Auch die Steuermöglichkeiten einer Webseite spielen eine Rolle, beispielsweise ob diese steuerbar über die Tastatur ist oder nicht. Oder die Nutzung von einfacher Sprache, die technische Anpassbarkeit der Webseite an sich, um andere Programme und Anwendungen auf dieser Webseite anzuwenden. Wichtig sind natürlich auch Serviceinformationen zur Zugänglichkeit des Hauses auf der Webseite: Wie kann sich das Publikum vor Ort bewegen, im Theatersaal, zu den Toiletten, der Bar, dürfen Begleitpersonen mitgebracht werden, gibt es vor Ort eine Beschilderung. Auch die Inhalte können gekennzeichnet werden, beispielsweise als besonders leicht verständlich oder durch einen zusätzlichen Erklärtext. Im Laufe des Gespräches wird klar: Nicht alles muss sofort genauso umgesetzt werden, auch kleine Dinge haben eine große Wirkung.

Wir nehmen diese vielen Anregungen mit, um Barrieren abzubauen, um über neue Formen für das Theater nachzudenken, Geldflüsse und Bezahlsysteme zu hinterfragen und weiter am Theater der Zukunft zu schrauben. Welcome everybody!
Über das Spielen, Räume im Theater, Technologien und Machtverhältnisse
Beim Spielen, so Friedrich Kirschner, kann man jemand anderes sein und Machtstrukturen werden neu verteilt. Spiele ähneln gesellschaftlichen Strukturen, wo es klare Regeln gibt, die aber ab und an auch mal neu geschrieben werden (wie das Corona Game, was alle zwei Wochen neue Regeln erhält). Im Spiel lernt man den Umgang mit verschiedenen Systemen, man öffnet neue Kommunikationsräume und erschafft Handlungsabfolgen. Wichtig ist hier immer die Frage, wer handelt und in welchem Raum diese Handlung möglich ist. Wenn wir also über ein digitales Foyer nachdenken, sollten wir einen Raum erschaffen, in dem Dinge verhandelt werden können. Das Publikum soll in diesem Raum Mitspieler*in sein und alle sollten auf Augenhöhe miteinander agieren.

Wie aber kann dieser Raum aussehen und was könnte dort verhandelt werden? Friedrich Kirschner sagt: „Macht Dinge, die euch Spaß machen“. Es sind also die spaßigen einfachen Dinge, für Groß und Klein, die wir fokussieren sollten, Theater machen wir ja auch schon genug. Was aber macht denn allen Menschen Spaß, wie erschafft man einen Raum, in dem sich das Publikum, in dem sich alle wohl fühlen? Nicht nur ein Raum, es könnten ja auch mehrere Räume sein – Spiele, Plattformen, Orte, online, offline. Alle gemeinsam sind unser „Foyer“, Räume zum Verweilen, um anzukommen, sich auszutauschen, sich wohl zu fühlen, einfach zu sein, aktiv oder passiv, intensiver und leichter.

Welche Inhalte könnten denn in diesen Räumen verhandelt werden? Das Theater als Inhalt und „boundary object“? Das bedeutet, alle haben Zugriff auf die gleichen Dinge, aber unterschiedliche Konzepte dazu im Kopf, für jeden und jede ist es etwas anderes und so werden Angebote auch unterschiedlich wahrgenommen und verhandelt. In diesen Räumen werden Inhalte des Theaters reflektiert, verstanden, neu betrachtet. Aber auch darüber hinaus können ganz andere Dinge, nach Wunsch und Beteiligung des Publikums oder auch der Künstler*innen, im Fokus stehen, Rollenspielgruppen online, Bastel- und Malnachmittage offline, Austausch innerhalb der Community, gemeinsame Spaziergänge, Workshops, Theaterspiele erfinden, neue Technologien ausprobieren – alles mit einer gewissen Leichtigkeit und Playfulness. Nochmal zusammen gefasst: Spielen, Spaß haben, zusammen sein. Hört sich doch nach einem schönen Foyer an, oder?

Ilja Van Autreve

Über Digitale Möbel
Die KOPERGIETERY, ein innovatives Kinder- und Jugendtheater in Gent (Belgien), hat schon vor einigen Jahren einen „Multi Media Table“ entwickelt, der dem Publikum im Foyer des Theaters zur Verfügung steht. Ilja hat uns berichtet, wie sie an die Konzeption heran gegangen sind und was bei der Entwicklung eine Rolle gespielt hat. Das Team der KOPERGIETERY hat einen ähnlichen Ansatzpunkt wie Friedrich Kirschner: Erstmal schauen, was der Ort, den man dort konzipiert, können sollte. Dabei ist das Team davon ausgegangen, dass Menschen sich bei ihnen im Foyer wohl fühlen sollen, ein „warm house for everyone“. Und was macht man zu Hause? Man hängt auf der Couch oder sitzt gemeinsam am Tisch. Dieser Tisch wurde also Mittelpunkt der Entwicklungen. Gemeinsam mit Künstler*innen, aber auch innerhalb des Teams und mit dem Publikum wurden so erste Konzepte für den Tisch erarbeitet. Zu Beginn sitzt man tatsächlich an einer (digital) gedeckten Tafel – nimmt man sich ein (digitales) Stück Kuchen, bekommt man Zugang zu Videos oder Spielen. Alle Teilnehmenden haben einen eigenen (digitalen und analogen) Bereich auf dem Tisch, man kann sich aber auch Infos hin und her swipen oder gemeinsam ein Spiel spielen. Der Tisch ist beweglich und so auch als Leinwand einsetzbar oder als virtueller Spiegel. In der Entwicklung, so Ilja, hat sich das Team inhaltlich immer wieder an die analoge Welt angelehnt, beispielsweise Brettspiele, die ja auch zu Hause am Tisch gespielt werden, in eine digitale Version übersetzt. Um die Entwicklung der digitalen Tools nicht immer nur extern mit Programmierer*innen umzusetzen, hat sich auch das Team der KOPERGIETERY selbst weitergebildet und im Programmieren empowert. Auch das Publikum wurde von Beginn an im parallel laufenden „Media Lab“ immer in die Entwicklung einbezogen. Was können wir von den Erfahrungen der KOPERGIETERY für unser digitales Foyer mitnehmen?

Auch wir hatten einen digitalen Tisch im Kopf im neuen Foyer des FFT. Als Ort, um Inhalte des Theaters anders aufbereitet zur Verfügung zu stellen. Aber vielleicht geht es erst einmal darum, einen Ort zu schaffen, an dem man gerne sein will. Und was genau es dann für einen Tisch braucht oder ob es doch eher eine digitale Couch wird, das sollten wir gemeinsam, mit unserem Publikum, mit unseren Künstler*innen, herausfinden. Als next step haben wir geplant, gemeinsam mit unserem Digitalpartner MIREVI, eine Art Umfrage zu machen, was es an Software und Hardware brauchen würde für so eine Art „digitales Möbel“.

Antja Karoli

Referentin für Ausstellungen im Futurium Berlin
Über das Grundkonzept des Futuriums mit den drei Säulen: Lab, Veranstaltungen, Ausstellungen
Das Futurium wurde als „Haus der Zukünfte“ in 2019 eröffnet, die installierte Dauerausstellung widmet sich aus wissenschaftlicher Sicht drei großen Zukunftsthemen: Natur, Mensch und Technik. Jedes Jahr werden neue Themenblöcke hinzugefügt wie Mobilität oder im nächsten Jahr: Demokratie.

Seit der Eröffnung 2019 hatte das Futurium trotz Pandemie über 850.000 Besucher*innen, der Eintritt ist kostenlos.

Parallel zum analogen Haus in Berlin wurde schon von Beginn an eine digitale Plattform entwickelt, auf der die Besucher*innen auf ähnlicher Weise wie in der Ausstellung in die verschiedenen Themen eintauchen können. Mit einem digitalen Armband, welches die Besucher*innen vor Ort bekommen, gibt es die Möglichkeit, die eigenen Interessen unterwegs in der Ausstellung zu sammeln, um diese auch später noch zu Hause zu vertiefen – eine Art individuelle Online-Sammlung. Dieses Armband, auch Ausstellungsbegleiter genannt, schafft also die Verbindung vom analogen Besuch vor Ort in die digitale Welt. Über den Ausstellungsbegleiter kann man auch an einer Art Bewertung von Themen in der Ausstellung interaktiv teilnehmen und abstimmen, so dass man zum Ende seines Besuchs seine eigene Zukunftsvision bekommt.

Das Futurium erarbeitet sich seine Ausstellungsansätze über die wissenschaftliche Abteilung, die die Erkenntnisse über wissenschaftliche Paper ins Haus trägt – hieraus entwickeln verschiedene Teams dann die Ausstellungseinheiten sowie, gemeinsam mit Künstler*innen und Designer*innen, die Angebote für das Lab. Auch Wissenschaftler*innen sowie Vertreter*innen der Zivilgesellschaft werden in Co-Kurations- und Co-Kreations-Prozessen in die Gestaltung der Inhalte des Futuriums einbezogen.

Ist denn das Futurium eigentlich ein Museum? Es gibt keine eigene Forschung, keine eigene Sammlung. Ist das Futurium öffentlicher Raum, ein Ort der Auseinandersetzung mit den dringlichsten Themen? Oder ist es ein großer gesellschaftlicher ThinkTank?

Für uns als Theater und im Kontext des digitalen Foyers war, vor dem Gespräch, interessant, wie die Verbindung des analogen Ortes mit dem digitalen Raum gelingt. Am Ende des Gesprächs aber geht es um öffentliche Räume, um die Frage danach, was Institutionen, egal ob Theater oder Museum, für die Gesellschaft leisten, für was sie stehen und wofür sie gebraucht werden.

Gabriela Burkhalter

Politologin und Raumplanerin aus Basel
Über Spielplätze
Frau Burkhalter baut seit 2008 ein umfassendes Online-Archiv über die Geschichte des Spielplatzes (www.architekturfuerkinder.ch) auf, in 2013 zeigte sie dazu die Ausstellung „The Playground Project“, die seitdem um die Welt tourt und unter anderem in Pittsburgh, Zürich, Newcastle, Moskau, Venedig und Frankfurt zu sehen war. In der Ausstellung geht es neben den Spielplätzen als Orte der Gemeinschaft auch um Erziehung und Kindheit, um Stadtplanung und öffentlichen Raum, um Architektur und Kunst, um Kreativität und Kontrolle.

Frau Burkhalter sagt, Kinder brauchen einen Gegenpol zum Digitalen im Draußen in Form einer Spielskulptur oder Spiellandschaft, als Abenteuerspielplatz. Im Vordergrund sollen stehen: freies Spiel, Spaß und Freiräume. Besonders die Abenteuerspielplätze als Orte zeigen nach wie vor große Wirkung. Wie aber können wir im Theater zum Spielen auffordern? Wie können wir Raum schaffen für freies Spiel, für die Aneignung eines Ortes, eines Theaterfoyers? Installiert man Spielgeräte, egal ob analog oder digital, ist dies vielleicht schon eine zu starke Vorgabe, denn zum Spielen braucht es eigentlich nicht viel. Freiräume müssen geschaffen werden. Wie kann ein Theater zu so einem Freiraum für Kinder, Jugendliche, aber auch Erwachsene werden? Im Laufe des Gesprächs haben wir überlegt, dass es interessant wäre, unter dem Aspekt der Freiräume und Angebote für Kinder die neue Umgebung des FFT im Bahnhofsviertel zu untersuchen und in einem Mapping zu erfassen und darzustellen. Damit würden wir einen Beitrag zur Erkundung der stadträumlichen Qualitäten im Bahnhofsviertel aus der Perspektive von Kindern leisten, die Ausgangspunkt für die Aneignung des Stadtraums durch Kinder und darüber hinaus für die konkrete Ausgestaltung weiterer Angebote seitens des Theaters beziehungsweise des „digitalen Foyers“ werden könnte. Eine solche Karte könnte analog oder digital zur Verfügung stehen. Wie können wir als Theater neue Zugänge und Erweiterungen des öffentlichen Raums schaffen? Und was können wir als Theater zusätzlich anbieten im analogen oder digitalen Raum? Spielplätze wurden ja vor allem geschaffen, um Kindern einen sicheren Ort zu bieten und später, um sie von der Straße zu holen, um Platz zu machen für den aufkommenden Verkehr. Ist aber nicht die Straße der ideale Ort zum Spielen? In der Geschichte der Spielplätze und der Umgang der Gesellschaft damit, spiegeln sich auch gesellschaftliche Werte wieder: So war das Spielen „draußen“ in Deutschland eine Zeit lang von der bildungsbürgerlichen Schicht nicht gut angesehen, spätestens seit Corona gibt es wieder eine Tendenz in die entgegengesetzte Richtung: Plätze in der Stadt werden vereinnahmt, Orte umfunktioniert, Spielstraßen eingerichtet. Der öffentliche Raum soll wieder auch von Kindern genutzt werden und für Kinder sicher gemacht werden. Wäre dann ein idealer Spielplatz hier bei uns vielleicht ein anderer, als wir ihn gewohnt sind? Ohne Umzäunung, ohne explizite Spieleaufforderung, ohne Gebote und Verbote? Wie können Kinder sich Orte erobern und aneignen? Wie viel Freiheit muss an dieser Stelle auch in der Erziehung zugelassen werden? Und was können wir als Theater tun?

Bernhard Spelten

PIKSL Labor Düsseldorf
Über die Chancen und Risiken der Digitalisierung und wer eigentlich wann wie zurückgelassen wird

Marcus Bösch

TikTok Forscher
Über politische Kommunikation auf TikTok

Michael Seemann

Kulturwissenschaftler, Autor von “Die Macht der Plattformen” und Journalist
Über Netzpolitik und die Digitalisierung in Deutschland

Kathia von Roth

Künstlerin
Über NFTs und Block Chain
Beteiligte
Konzeption: FFT Team
Interviews: Katja Grawinkel-Claassen, Lena tom Dieck, Marie Hölker
Beteiligte Expert*innen: Geert Lovink, Friedrich Kirschner, Gabriela Burkhalter, Bernhard Spelten, Marcus Bösch, Michael Seemann, Ilja van Autreve, Antja Karoli, Kathia von Roth, Adina Herrmann
Projektkoordination: Lena tom Dieck
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